Am 20. August 2018 demonstrierte Greta Thunberg zum ersten Mal für Klimaschutz. Sie wurde zur Initiatorin der weltweiten Fridays-for-Future-Bewegung. (Foto: Anders Hellberg/​Wikimedia Commons)

Wenn Greta Thunberg auf die Bühne tritt, dann tut sie das mit einem Ziel vor Augen. Ihre Stirn runzelt sich leicht, die Augen kneifen zusammen, ihr Blick streift über die Menge: Die 16-Jährige hat etwas zu sagen. Ohne Wenn und Aber, ohne Kompromisse verurteilt sie Politiker für deren Untätigkeit beim Klimaschutz.

Dafür wird sie gefeiert, weltweit und besonders in Deutschland. Für viele Jugendliche ist sie ein Vorbild. Und obwohl sie nur über die "Sache" spricht, es ihr nie um die eigene Person geht, ist Greta Thunberg längst zu einem Symbol der Klimaschutzbewegung geworden.

Wie weitreichend Thunbergs Einfluss auf Fridays for Future in Deutschland ist, zeigen Forscher des Berliner Instituts für Protest- und Bewegungsforschung nun erstmals anhand einer Befragung.

Dabei gab etwa die Hälfte der Demonstrationsteilnehmer an, dass die schwedische Aktivistin ihr Interesse am Klimawandel verstärkt hat. Außerdem sind die Proteste überwiegend von jungen und gut gebildeten Menschen getragen, die größtenteils weiblich sind, so die Wissenschaftler.

60 Prozent Frauenanteil – davon können andere soziale Bewegungen nur träumen. Der hohe Frauenteil bei den Fridays-for-Future-Aktionen zeigt auch einen neuen Protest-Trend: "Während Demonstrationen lange stark von Männern geprägt waren, zeigen jüngere Untersuchungen eine annähernd paritätische Verteilung der Geschlechter", stellen die Studienautoren fest.

Frauen bewegen Frauen

Eine Ursache für den hohen Frauenanteil könnte Greta Thunberg sein. Jedenfalls gibt über die Hälfte der Schülerinnen an, dass Thunberg ihre Entscheidung, an den Klimastreiks teilzunehmen, beeinflusst hat. Zum Vergleich: Weniger als ein Drittel der männlichen Teilnehmer stimmte dieser Aussage zu. "Vor allem auf Mädchen und junge Frauen wirkt Thunberg also inspirierend und motivierend", schlussfolgern die Wissenschaftler.

Dass Männer Männer und Frauen Frauen anziehen, beobachtet Inka Kretschmer normalerweise bei der Einstellungspraxis von Unternehmen. Doch das gleiche Muster lässt sich auch auf die Fridays-for-Future-Proteste übertragen, sagt die auf Gleichstellung spezialisierte Unternehmensberaterin. "Unser Unterbewusstsein verleitet uns dazu, uns automatisch eher mit Personen zu identifizieren, die uns ähnlich sind", sagt Kretschmer. "Daher brauchen wir auch unbedingt mehr weibliche Vorbilder."

Auch mit ihrem eigenen Konsumverhalten ist Greta Thunberg für viele der jungen Protestierenden ein Vorbild. So sind vor allem die Jüngeren davon überzeugt, dass eine Veränderung der Lebensweise und des Konsums einen wichtigen Beitrag zum Kampf gegen den Klimawandel leistet. Die schwedische Aktivistin ernährt sich vegan und verzichtet auf Flugreisen. Derzeit segelt sie über den Atlantik, um zum UN-Klimagipfel nach New York zu gelangen.

Fridays for Future verändert die Gesellschaft

Grundlage der von der Heinrich-Böll-Stiftung und der Otto-Brenner-Stiftung unterstützten Studie ist eine Erhebung bei den europaweiten Fridays-for-Future-Demonstrationen am 15. März dieses Jahres. Hierzulande beantworteten etwa 350 Teilnehmer den Fragenkatalog. Da die Wissenschaftler eine zufällige Stichprobe und sowohl Interviews vor Ort in Berlin und Bremen als auch Online-Befragungen durchführten und bei beiden Methoden ähnliche Erkenntnisse feststellten, werten sie die Ergebnisse als annähernd repräsentativ.

Das Hauptmotiv der Fridays-for-Future-Aktivisten ist den Autoren zufolge die Sorge um die eigene Zukunft. Deshalb machen sie Druck auf die Politik. "Die Bewegung mobilisiert junge Menschen und nimmt die Politik in die Verantwortung, tatkräftig zu handeln", sagte Barbara Unmüßig, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung. "Sie fordern unmissverständlich, dass die Politik der Klimakrise eine entschiedene, ökologische, aber sozial ausgewogene Transformation entgegenstellt."

Die Kernforderung von Fridays for Future ist die Einhaltung der Pariser Klimaziele und damit die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad. Dafür streiken weltweit Kinder und Jugendliche seit Monaten jeden Freitag – nach Greta Thunbergs Vorbild.

Immer wieder versuchen Politiker, die schnell wachsende Bewegung zu umarmen, bislang vergeblich. Von Parteien oder Organisationen lassen sich die Aktivisten laut Studie nicht vereinnahmen. Sie begrüßen jedoch Unterstützergruppen wie "Scientists for Future" und rufen für den 20. September erstmals auch Erwachsene ausdrücklich auf, am internationalen Großstreik teilzunehmen.

Fridays for Future, so die Studienautoren, hinterlässt in der Gesellschaft Spuren, "in der Klimabewegung und darüber hinaus".

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