Ansicht von Ferne auf fast ein ganzes Dorf, hinten am Horizont der welligen Landschaft stehen zwei Windräder.
An Windkraftanlagen, die an den Bürgern vorbei errichtet und betrieben werden, entzündet sich immer wieder heftige Kritik. (Foto: M. Volk/​Shutterstock)

Mit der Stimmungsmache ist es, zumal in Zeiten von Corona und sozialen Medien, so eine Sache: Bis zu wie viel Prozent ist die bekannte "lautstarke Minderheit" eine zu vernachlässigende Minderheit? Ist sie nur deswegen so "lautstark", weil die meisten anderen zur "schweigenden Mehrheit" gehören?

Zu diesem Spannungsfeld legt die Fachagentur Windenergie an Land (FA Wind) heute interessante Ergebnisse ihrer jährlichen bundesweiten Umfrage vor. Danach soll vor Ort die Stimmung gegenüber der Windkraft in Wirklichkeit viel besser sein, als sie von Anwohnern selbst eingeschätzt wird.

So schätzten Befragte den Anteil derjenigen Menschen in ihrer Gemeinde, die gravierende Bedenken gegenüber der Windenergie haben, im Schnitt mehr als doppelt so hoch, wie dieser tatsächlich ist: Statt gefühlter 40 Prozent seien nur 16 Prozent der Ortsansässigen mit bestehenden Anlagen eher nicht einverstanden, heißt es in der Auswertung der Fachagentur.

Auch gegen neue Anlagen hätten nicht die im Schnitt geschätzten 58 Prozent große Bedenken, sondern nur 26 Prozent, also nicht einmal halb so viele.

Die Angaben beruhen auf einer Umfrage der Meinungsforscher von Forsa im Auftrag der FA Wind. Ende Oktober seien dazu bundesweit insgesamt 1.002 repräsentativ ausgewählte Menschen über 18 Jahren telefonisch befragt worden.

Schweigende Zustimmung

Weiter ergab die Umfrage, dass die "schweigende Mehrheit" – also diejenigen, die sich weder für noch gegen Windanlagen engagieren – den Windausbau breit akzeptiert.

Tortendiagramm: Etwa je 40 Prozent der Bürger finden Nutzung und Ausbau der Windkraft sehr wichtig oder eher wichtig.
Vier von zehn Bürgern finden Nutzung und Ausbau der Windkraft "sehr wichtig", etwa ebenso viele "eher wichtig". Die Anteile sind seit 2015 ziemlich stabil. (Grafik: aus der Studie)

Große Bedenken gegenüber dem Bau von Windanlagen im eigenen Wohnumfeld sind laut Umfrage in der "schweigenden Mehrheit" sogar seltener anzutreffen  (22 Prozent) als im Schnitt der Befragten (26).

Allerdings ist, wie die Umfrage ebenfalls zeigt, bei dem Fünftel der Befragten, die der Windenergie negativ gegenüberstehen, das Mobilisierungspotenzial wesentlich höher als bei denen, die zur Windenergie positiv eingestellt sind.

Für Michael Lindenthal, Vorstandschef der FA Wind, prägt denn auch ein "insgesamt relativ kleiner Bevölkerungsanteil", der sich gegen Windenergie engagiert, das Bild der Öffentlichkeit.

Zustimmung werde vor Ort oft gar nicht aktiv geäußert und entsprechend auch nicht wahrgenommen, beklagt Lindenthal. Das wirke sich entsprechend auf politische Diskussionen zur Windkraft aus, und so fehle es häufig an "aktiver Unterstützung" für die Windenergie.

"Effektive finanzielle Teilhabe"

Das probate Mittel, um diese Unterstützung zu aktivieren, stellt laut Umfrage eine "effektive finanzielle Teilhabe der Kommunen" dar. Dies befürworten drei von vier Befragten. Zwei von dreien finden es besonders gut, wenn sich die Windprojekte dabei auf Gemeinwohlinteressen und vergünstigte Strompreise ausrichten.

Für den Chef der FA Wind geht deswegen die politische Debatte für eine finanzielle Beteiligung der Kommunen in die richtige Richtung.

Drei von vier Bürgern sind laut Umfrage auch dafür, dass betroffene Gemeinden nicht nur von künftigen, sondern auch von bereits bestehenden Anlagen finanzielle Vorteile haben. "Eine Teilhabe an Bestandsanlagen könnte die Diskussionen um Windenergie vor Ort binnen relativ kurzer Zeit grundlegend verändern", ist sich Lindenthal sicher.

Balkendiagramm: Verschiedene Möglichkeiten der finanziellen Beteiligung an Windkraftprojekten erhalten jeweils über 50 Prozent Zustimmung.
Die Bevölkerung vor Ort hat recht genaue Vorstellungen, wie ihre Beteiligung an Windprojekten aussehen kann. (Grafik: aus der Studie)

Kommunale Spitzenverbände fordern denn auch, in der gerade im Bundestag behandelten EEG-Novelle noch eine finanzielle Beteiligung der Gemeinden verpflichtend und auch für Bestandsanlagen festzuschreiben.

Bekannte Vorschläge

Keine Erwähnung findet diese – die Akzeptanz offenbar maßgeblich steigernde – Maßnahme allerdings in dem gut 40-seitigen "Sofortprogramm Windenergie an Land", das der Thinktank Agora Energiewende Mitte der Woche vorlegte.

Das Agora-Programm schlägt im Kern sechs Punkte vor, darunter, die Ausschreibungsmengen für Windkraft deutlich zu erhöhen, kurzfristig mehr Flächen bereitzustellen, das Genehmigungsrecht zu vereinfachen sowie Anlagen, die ab 2021 aus der EEG-Förderung fallen, möglichst lange in Betrieb zu halten oder zügig zu repowern.

Außerdem soll der Konflikt zwischen Windkraftausbau und Naturschutz entschärft und später dauerhaft gelöst werden. Dazu sollen nicht nur das EEG, sondern auch das Baugesetzbuch, das Bundes-Immissionsschutzgesetz und das Naturschutzrecht geändert werden.

All das sind allerdings Vorschläge, die so oder so ähnlich schon öfter gemacht wurden, bislang aber gescheitert sind – auch an dem aktiven, "negativ" eingestellten Fünftel oder an der zurückhaltenden "schweigenden Mehrheit".

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