Wasserkraftwerke schädigen nicht nur Fischpopulationen, sondern die gesamte Gewässerökologie. (Bild: Henning Sørby/​Shutterstock)

Wasserkraft zählt zu den erneuerbaren Energien. Die Diskussion darüber, wie gut sie der Natur tut, reißt jedoch nicht ab.

Befürworter:innen sehen Wasserkraft als wichtige Alternative für fossile Brennstoffe wie Kohle oder Gas. "Wasserkraftwerke sind zudem sehr langlebig und laufen zu einem erheblichen Anteil in der Grundlast, weisen also deutlich geringere Leistungsschwankungen als Photovoltaik- oder Windkraftanlagen auf", betonen die Bayerischen Landeskraftwerke in ihrem Internetauftritt.

Dem gegenüber stehen die massiven Auswirkungen auf die Ökologie – zum Beispiel auf Fische, die in den Turbinen sterben, oder auf wandernde Arten, die durch die Barrieren aufgehalten werden –, wie sie etwa der Umweltverband BUND auflistet.

Generell ist die Unterbrechung der Durchgängigkeit eine große Beeinträchtigung beim Gewässerschutz, merkt das Umweltbundesamt (UBA) an. In der Veränderung von Lebensräumen unterhalb der Aufstauungen liege ein weiteres Gefährdungspotenzial von Wasserkraftwerken.

Die Wasserkraft hat in Deutschland einen geringen, aber stetigen Anteil an der Stromproduktion. Gemeinsam mit "sonstigen Erneuerbaren" machte sie im Jahr 2023 nur 3,4 Prozent an der gesamten deutschen Stromerzeugung aus. Mehr Stromgewinnung aus Wasserkraft kann laut UBA vor allem "durch die Modernisierung und Erweiterung bestehender Anlagen erreicht werden". Der Neubau von Wasserkraftanlagen sei vor allem aus ökologischen Gründen kritisch zu bewerten.

Und auch der Thinktank Energy Watch Group kommt in einer am Freitag vorgestellten neuen Analyse zum Schluss, dass eine Steigerung bei der Wasserkraft vor allem durch Modernisierung und Reaktivierung historischer Standorte möglich ist.

Die ökologischen Probleme beheben sollen sogenannte innovative, naturverträgliche Wasserkraftwerke. Dank langsam drehender Turbinen und Fischtreppen könnten Fische diese Kraftwerke gefahrlos passieren, verspricht eine Imagebroschüre des Bundesverbands Deutscher Wasserkraftwerke. Die biologische Durchgängigkeit von Flüssen lasse sich mit heutiger Technik beim Bau von Wasserkraftanlagen gewährleisten, so die Interessenvertretung der Betreiber.

Auswirkungen auf gesamte Gewässerökologie untersucht

Neben den Fischen werden durch Wasserkraftwerke aber auch kleinere Arten sowie die gesamte Gewässerökologie beeinflusst. Dem hat sich eine aktuelle Studie der Technischen Universität München gewidmet.

Die Forscher:innen untersuchten die komplexen aquatischen Lebensgemeinschaften sowohl unter- als auch oberhalb von innovativen Wasserkraftwerken. Zu diesen Lebensgemeinschaften gehören Fische genauso wie Kleinstlebewesen, Wasserpflanzen und der Bewuchs von Oberflächen mit Algen.

An den untersuchten Standorten befanden sich bereits vorher Querbauten in den Gewässern. Diese wurden in innovative Wasserkraftwerke umgebaut.

Das Bayerische Landesamt für Umwelt erläutert auf einer Themenseite, was die innovativen Anlagen ausmacht. Als Pilotprojekte werden drei der Anlagen aufgeführt, die in der Studie untersucht wurden.

Zu den Elementen, die die Wasserkraftanlagen ökologisch verträglicher machen sollen, zählen laut der Landesbehörde ein Aufstiegssystem für die Arten um die Anlage herum, der Schutz von Organismen durch langsam drehende Turbinen beim Abstieg und die Erhaltung des Fließcharakters durch geringe Stauhöhen.

Die TU-Studie kommt allerdings zu dem Schluss, dass nach dem Umbau die erhofften ökologischen Verbesserungen nicht eingetreten sind. Die Untersuchungen ergaben, dass auch die innovativen Wasserkraftanlagen der Natur erheblich schaden. Teilweise wurde die Artenvielfalt durch den Ausbau zu Wasserkraftwerken im Vergleich zu vorher sogar noch verringert.

Die Bayerischen Landeskraftwerke teilen auf Anfrage von Klimareporter° mit, die Untersuchung ihrer drei innovativen Wasserkraftanlagen habe durchaus positive Effekte auf die Flüsse festgestellt. Die Mortalitätsrate bei Fischen sei bei den innovativen Kraftwerken deutlich geringer als bei konventionellen.

Auch innovative Kraftwerke sind eine Gefahr für Fische

Die Landeskraftwerke betonen auch, die Effekte der Anlagen hätten noch nicht abschließend bewertet werden können. Die Untersuchung des Gewässerlebensraums sei kurz nach dem Bau der Anlagen erfolgt. Bessere Aussagen könne eine erneute Untersuchung in größerem zeitlichen Abstand liefern.

Klar ist dennoch: Für die Fische besteht auch in innovativen Wasserkraftwerken die Gefahr, in den Turbinen verletzt zu werden oder zu sterben. "Anders als erhofft und von den Betreibern auch prognostiziert, haben die neuen Kraftwerkstypen die Habitatbedingungen für strömungsliebende Arten nicht verbessert", sagte Jürgen Geist, Professor für Aquatische Systembiologie an der TU München und einer der Autoren der Studie.

In Zukunft müsse bei der Planung von Wasserkraftanlagen auch mehr als nur die Schädigung von Fischen berücksichtigt werden, so Geist. Auch der Lebensraum als Ganzes und das Nahrungsnetz seien von Belang. Laut der Studie sind dabei vor allem die Fließgeschwindigkeit und die Wassertiefe ausschlaggebend.

Die Studie schließt: "Daher wird es auch in Zukunft notwendig sein, sorgfältig Vor- und Nachteile abzuwägen, wenn solche Projekte genehmigt werden, da die Erzeugung erneuerbarer Energie mit den hier untersuchten innovativen Wasserkraftwerken immer auch erhebliche ökologische Nachteile mit sich bringt."

 

In den Erläuterungen gehen die Studienautor:innen sogar noch darüber hinaus: Es sei wichtig, auch bestehende Querbauwerke und stillgelegte Kraftwerke zurückzubauen und beeinträchtigte Flussabschnitte wiederherzustellen. Denn nicht erst die Wasserkraftwerke und ihr Betrieb schadeten der Ökologie von Flüssen.

Die Studie zeigt, dass auch schon vor dem Ausbau der Querbauwerke zu Wasserkraftwerken die Ökologie und Biodiversität der Flüsse beeinträchtigt waren. Für gesunde Flussökosysteme brauche es freie Passierbarkeit und die Vernetzung von Lebensräumen.

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