Eigentlich hat Deutschland sich zum Ziel gesetzt, dass der Treibhausgasausstoß kontinuierlich sinken soll. Doch seit Jahren stagnieren auf hohem Niveau – auch weil Gesetze und Maßnahmen, die dem Klimaschutz helfen würden, verhindert oder torpediert werden. Zwölf der Strippenzieher im Porträt.
Der Energiesektor
AG Emissionshandel: Wer die Kapelle bezahlt, bestimmt die Musik
Die Arbeitsgruppe Emissionshandel wirkt weitgehend im Verborgenen. Dort versammeln sich mehr als 20 Großunternehmen aus Bereichen wie Energie, Chemie, Verkehr, Stahl und Aluminium, dazu mehr als ein Dutzend Wirtschaftsverbände, außerdem die Bundesregierung, vier Bundesländer, die Bundestagsfraktionen, zwei Gewerkschaften und gerade mal vier Umweltverbände.
Die Arbeit der Gruppe kostet jährlich rund 170.000 Euro und wird laut Umweltministerium zu zwei Dritteln von der Wirtschaft und zu einem Drittel vom Ministerium finanziert. Offiziell ist die Arbeitsgruppe ein Forum für einen breiten fachlichen Austausch zum Emissionshandel. Tatsächlich aber testen die Unternehmen und Branchen in dem Gremium, wie ihre Forderungen bei der Politik ankommen.
Joachim Pfeiffer: Alles Hand in Hand
Joachim Pfeiffer ist seit 2014 wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag. (Foto: Sven Teschke/Wikimedia Commons)
Bei Joachim Pfeiffer läuft alles parallel, Hand in Hand. Der CDU-Politiker aus dem schwäbischen Mutlangen arbeitet für die Energiebranche und macht gleichzeitig Energiepolitik im Bundestag. Inzwischen hat der 50-Jährige eine Menge Ämter und Posten angesammelt.
Im Bundestag ist er wirtschafts- und energiepolitischer Sprecher seiner Fraktion und im Energieausschuss des Parlamentes. Privat betreibt er eine eigene Consulting-Firma und hat daneben noch 20 Aufsichts- und Beiratsmandate in Unternehmen, Verbänden und Stiftungen inne; überwiegend in den Bereichen, zu denen sich auch der Politiker Pfeiffer am liebsten äußert: Energie, Immobilien, Verkehr.
Die Gaswirtschaft: Selbst ernannter Klimaretter
Im Herbst 2016, als die Große Koalition ihren "Klimaschutzplan 2050" gerade noch einmal verwässert, erscheinen plötzlich in mehreren Zeitungen alarmierende Anzeigen. "Der Klimawandel wartet nicht", warnen sie und zeigen, wie der Reichstag unter einem dramatisch verfinsterten Himmel in der Sintflut versinkt. Wer hinter der Kampagne steckt, ist zunächst unklar. Recherchen von Journalisten ergeben: Es ist die deutsche Gaswirtschaft.
Sie hat eigens den Lobbyverein "Zukunft Erdgas" gegründet, um Erdgas als unverzichtbaren Klimaretter zu bewerben. Die Satzung nennt neben Marketing, Sponsoring und Werbung auch ausdrücklich "die Unterstützung wissenschaftlicher Arbeiten", um das Image von Erdgas aufzupolieren. Dabei ist in der Wissenschaft inzwischen klar, dass Gas nur bei der Verbrennung klimaschonender ist als Kohle. Bei der Förderung jedoch entweichen große Mengen des aggressiven Klimagases Methan und verhageln die Bilanz. Das erwähnt die "Stimme der deutschen Gaswirtschaft" nicht.
Der Verkehrssektor
Joachim Koschnicke: Opel-Lobbyist wird Wahlkampf-Manager
Joachim Koschnicke berät derzeit Unternehmen, wie sie ihre Interessen in der Politik durchsetzen können. (Foto: Andreas Liebschner/Opel AG)
Im Abgasskandal hatte er noch versucht, den Schaden für den Autobauer Opel zu begrenzen, nun soll er für einen erfolgreichen Wahlkampf der CDU sorgen: Joachim Koschnicke, von 2013 bis 2017 Cheflobbyist bei Opel, ist seit April dieses Jahres Wahlkampfmanager der Partei. Noch im Mai 2016 hatte Koschnicke als Lobbyist mit Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) über den Abgas-Skandal gesprochen.
Laut Recherchen des Spiegel mit Erfolg: Koschnicke setzte sich dafür ein, dass das neue Modell des Opel Zafira trotz einer fragwürdigen Abschalteinrichtung vom Kraftfahrt-Bundesamt zugelassen wurde. Dabei habe er von seinen guten Kontakten in die Union profitiert. Denn vor seinem Lobbyjob bei Opel war Koschnicke schon einmal in der CDU-Zentrale angestellt: Von 2005 bis 2011 arbeitete er in der Strategieabteilung des Konrad-Adenauer-Hauses.
Holger Krahmer: Autonarr und Klimaskeptiker
Erst Politiker, jetzt Lobbyist: Holger Krahmer. (Foto: holger-krahmer.de)
Zehn Jahre saß der FDP-Politiker Holger Krahmer im EU-Parlament, bis ihn lukrativere Angebote in die Wirtschaft lockten. Heute ist er laut der Karriere-Plattform Linkedin "Director Government & Industry Relations Europe bei Opel Automobile".
Als Mitglied des Umweltausschusses beschäftigte sich Krahmer mit Berichten über die Autoindustrie und war sogar Berichterstatter für die Reduzierung von CO2-Emissionen. Zudem war er Mitglied des nichtständigen Ausschusses zum Klimawandel.
Im Jahr 2010 outete sich Krahmer als Klimawandelleugner, als er eine Broschüre der FDP im Europäischen Parlament herausbrachte: "Unbequeme Wahrheiten über die Klimapolitik und ihre wissenschaftlichen Grundlagen". Darin schrieb er über die gescheiterte Klimakonferenz von Kopenhagen: "Das Ende der Klimahysterie ist eingeläutet." Was genau der ehemalige FDP-Politiker heute bei Opel tut, ist nicht bekannt. Öffentlich geworden ist aber, dass Opel im Namen von General Motors allein im Jahr 2014 bis zu einer Million Euro ausgab, um die EU-Kommission und das Europäische Parlament von seinen Ansichten zu überzeugen. Das fand die lobbykritische Organisation Corporate Europe Observatory heraus.
Eckart von Klaeden: Gestern Kanzleramt, heute Daimler
Eckart von Klaeden ist Cheflobbyist bei Daimler und hat 2015 erfolgreich die Regeln für Abgastests abgeschwächt. Dafür hat er seine Verbindungen zum Kanzleramt genutzt.
Die Bewerbungsgespräche für seinen neuen Job hat der Jurist Eckart von Klaeden offenbar ganz bequem in den Arbeitsalltag des alten integriert: Zwischen 2010 und Mai 2013 traf sich der damalige Staatsminister im Kanzleramt nicht weniger als sieben Mal mit der Automobilindustrie, davon dreimal mit Vertretern von Daimler. Gleich darauf gab er seinen Wechsel zu dem Stuttgarter Autobauer bekannt.
Noch bis Ende September 2013 steuerte von Klaeden in Berlin das politische Geschäft von Bundeskanzlerin Angela Merkel – schon im November startete er als Daimler-Cheflobbyist. Ohne Interessenkonflikt? Das Kanzleramt hatte erst im Juni 2013 einen über fünf Jahre mit den anderen EU-Staaten ausgehandelten Kompromiss zu strengeren CO2-Grenzwerten für Autos überraschend platzen lassen.
Der Fall von Klaeden führte zu einer öffentlichen Debatte über Karenzzeiten beim Wechsel zwischen Politik und Wirtschaft – und zu einem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren wegen des Anfangsverdachts der Vorteilsannahme, das allerdings mittlerweile eingestellt ist. Seit zwei Jahren hat der Mann mit dem guten Draht ins Kanzleramt wahrscheinlich ein neues Hauptaufgabenfeld bei Daimler: das Management des Diesel-Skandals.
Der Gebäudesektor
Axel Gedaschko: Wortgewandter Immobilien-Lobbyist
Einstmals Wirtschaftssenator in Hamburg, arbeitet Axel Gedaschko heute für die Immobilienwirtschaft. (Foto: GdW)
Fragt man Axel Gedaschko nach Klimaschutz, dann spricht der Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW viel von CO2. Ein CO2-Einsparpfad soll die Emissionen des Gebäudesektors senken – aber ganz ohne Vorgaben, schon gar nicht zur Dämmung. Von politischen Energieeffizienz-Zielen hält Gedaschko nichts.
Dafür lässt er seine Beziehungen zur Politik spielen. Und die sind ausgesprochen gut – schließlich ist Gedaschko mit 21 Jahren in die CDU eingetreten und war jahrelang Berufspolitiker. 2006 holt ihn Ole von Beust zur Hamburger Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt. In der Behörde lernt Gedaschko die CDU-Politikerin Herlind Gundelach kennen.
Beide gehen später nach Berlin – er als Lobbyist, sie wird Mitglied des Bundestags. Schriftliche Stellungnahmen aus der CDU-Fraktion zur Effizienz von Gebäuden, an denen sich Gundelach beteiligt hat, gleichen auffällig der Argumentation der Wohnungswirtschaft.
Marie-Luise Dött: Die Aufpasserin
Lady in Red: Marie-Luise Dött trägt gerne rot – ein Ausdruck ihrer politischen Gesinnung ist das aber nicht. (Foto: Laurence Chaperon/Wikimedia Commons)
Die Politik braucht mehr Menschen, die aus der Wirtschaft kommen, glaubt Marie-Luise Dött. Die Unternehmerin ist 1984 in die CDU eingetreten. Mehr Markt, weniger Staat – das ist Dötts Credo, für das sie vehement auch als umwelt- und baupolitische Sprecherin der Unionsfraktion im Bundestag eintritt.
Als der Entwurf des Gebäude-Energie-Gesetzes im Parlament behandelt werden soll, schicken Dött und fünf weitere Unionspolitiker Post an Kanzleramtschef Peter Altmaier. Der Wohnungswirtschaft geht das Gesetz zu weit. Nach dem Brief landet der Entwurf im Papierkorb. Dött sagt, was sie denkt – mit klimaskeptischen Aussagen sorgte sie in der Vergangenheit für Entrüstung bei der Opposition.
Thomas Bareiß: Der Hardliner
Im Bundestag stimmte Thomas Bareiß gegen die Frauenquote, aber für den Einsatz der umstrittenen Fracking-Technologie. (Foto: thomas-bareiss.de)
Um drastische Worte ist Thomas Bareiß nicht verlegen. Die Energiewende nennt er ein "Monstrum", denn sie bedrohe die vier großen Energiekonzerne in ihrer Existenz. Dem Beauftragten für Energiepolitik der CDU/CSU-Bundestagsfraktion geht der Ausbau der Erneuerbaren zu schnell.
Als das SPD-geführte Bundeswirtschaftsministerium den Austausch von alten Gaskesseln durch neue nicht länger fördern will, schlagen Bareiß und weitere CDU-Politiker Alarm. Erdgas als klimafreundlichster fossiler Primärenergieträger dürfe nicht stigmatisiert werden.
Den Berliner Kreis, die konservative Gruppierung in der Union, hat Bareiß mitgegründet, auch wenn er sich gegenwärtig in der informellen Gruppe nicht betätigt. Seine Energiewende-skeptische Position hindert den Politiker von der Schwäbischen Alb allerdings nicht, als Beirat des Dämmstoffherstellers Deutsche Rockwool einen jährlichen Nebenverdienst zwischen 15.000 und 30.000 Euro einzustreichen.
Der Agrarsektor
Franz-Josef Holzenkamp: Der Strippenzieher
Die Politik hat Franz-Josef Holzenkamp mittlerweile verlassen, seine Kontakte nutzt er aber noch immer. (Foto: Matthias Niehues/Wikimedia Commons)
Holzenkamp vereint einige landwirtschaftliche Schlüsselpositionen auf sich: Er ist Schweinebauer in Vechta-Cloppenburg, der Region mit den meisten Schweineställen Deutschlands. Ein Freund von ökologischer Landwirtschaft ist der 57-Jährige nicht: Tierschützer hatten in seinen Schweineställen "erschreckende Zustände" gefilmt – Holzenkamp räumte daraufhin gegenüber dem Spiegel "Probleme" ein.
Seit Ende Juni ist er auch noch Aufsichtsratschef des Raiffeisenverbandes – ein Mega-Verband von Agrarunternehmen, der mit Düngemitteln und Viehfutter rund sechs Milliarden Euro Jahresumsatz macht. Nebenbei sitzt er für die CDU im Bundestag und ist dort Mitglied im Agrarausschuss. Im Parlament hat er sich beispielsweise dafür starkgemacht, das sehr umstrittene und vermutlich krebsfördernde Pflanzengift Glyphosat weiter zu erlauben. Die Kollegen folgten ihm: Das Verbot eines seit Jahrzehnten bewährten Mittels sei "nicht verhältnismäßig".
Johannes Röring: Der Top-Verdiener
Der Landwirt aus dem Münsterland ist laut der Transparenzplattform Abgeordnetenwatch einer der bestverdienenden Abgeordneten im Bundestag: Mindestens zwei Millionen Euro erhält der Christdemokrat jährlich für "anzeigepflichtige Tätigkeiten", wie es auf seiner Homepage heißt.
Zudem ist er in zwölf landwirtschaftlichen Unternehmen in Aufsichts- oder Beiräten, etwa beim Bauernverlag oder dem Wurst-Prüfzeichen "QS Qualität und Sicherheit", das nach Meinung vieler Kritiker viel zu lasch kontrolliert. Röring ist im Verbandsrat des Deutschen Bauernverbandes, mit 200.000 Mitgliedern die wichtigste Interessengruppe von Landwirten. In der Zeitschrift Top Agrar schimpfte er gegen Auflagen für Agrardiesel.
Astrid Grotelüschen: Die Puten-Königin
Als Landwirtschaftsministerin in Niedersachsen musste Astrid Grotelüschen im Dezember 2010 zurücktreten, weil es Vorwürfe der Tierquälerei und des Lohndumpings gegen die Mastputenbrüterei ihres Mannes gab. (Foto: Sven Teschke/Wikimedia Commons)
Auf ihrer Homepage zeigt sich die CDU-Politikerin mit ihrer Familie beim Würstchengrillen: Die 53-Jährige kommt aus einer niedersächsischen Bauernfamilie. Ihrem Mann gehört der zweitgrößte deutsche Mastputenbetrieb Ahlhorn – sie wurde 2010 trotzdem zur niedersächsischen Landwirtschaftsministerin ernannt.
Nach Vorwürfen, Puten würden in geschäftlich verbundenen Mastanlagen gequält und Mitarbeiter zu Dumpinglöhnen beschäftigt, trat sie von ihrem Ministeramt zurück. Im Bundestag kämpft sie weiter für konventionelle Land- und Viehwirtschaft.
Der Beitrag ist eine Kooperation mit dem Recherchezentrum Correctiv.