Ein Energiesystem, in dem der Strom überwiegend mit Solar- und Windenergie hergestellt wird, benötigt Speicher. Das ist bekannt und wenig überraschend: Auch wenn es dunkel ist und kein Wind weht, wird Strom benötigt. Zwar können besser ausgebaute Stromnetze und eine Flexibilisierung des Verbrauchs den Bedarf an Speichern verringern, doch ohne sie wird es nicht gehen.

Batterien und Pumpspeicher können bei kurzfristigen Engpässen einspringen. Doch die große Herausforderung bleiben Langzeitspeicher und die berüchtigte Dunkelflaute: wenig Sonnenschein, wenig Wind, und das über Wochen.

 

Die Bundesregierung arbeitet an einer Kraftwerksstrategie, die vorsieht, Gaskraftwerke zu bauen, die "H2‑ready" sein sollen. In Zukunft sollen diese einspringen, wenn Wind- und Sonnenenergie nicht genug Strom bereitstellen.

In Island wird seit 2011 grünes Methanol produziert

Doch ist Wasserstoff wirklich die beste Lösung in Sachen Langzeitspeicher? Tom Brown von der TU Berlin und Johannes Hampp vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung haben kürzlich eine Studie im wissenschaftlichen Fachmagazin Joule veröffentlicht, die nahelegt: In vielen Fällen wäre grünes Methanol die bessere Option. Die Forscher schlagen vor, zwei Technologien zu kombinieren, die bereits in Prototypen existieren.

Luftaufnahme: Geothermie-Kraftwerk und Methanol-Herstellungs-Anlage in einer flachen, kargen Landschaft in Island.
Ist diese Technologie eine bessere Speicheroption für Dunkelflauten? Das würde die Kraftwerksstrategie der Bundesregierung infrage stellen. (Bild: Carbon Recycling International)

Methanol ist die einfachste chemische Verbindung aus Wasserstoff, Sauerstoff und Kohlenstoff. Es wird bereits heute in großen Mengen in der chemischen Industrie eingesetzt und bisher fast ausschließlich aus fossilen Rohstoffen hergestellt – meist Erdgas oder Kohle.

Doch Methanol kann auch "grün" hergestellt werden. Dafür braucht es neben erneuerbarem Strom grünen Wasserstoff und Kohlendioxid.

Pionier bei der Herstellung von grünem Methanol ist die Firma Carbon Recycling International aus Island. Dort läuft seit 2011 eine Pilotanlage (Foto) neben dem Geothermiekraftwerk Svartsengi.

Neben Strom und Wärme liefert das Geothermiekraftwerk auch Kohlendioxid. Geothermie gilt zwar als vergleichsweise klimafreundliche Stromerzeugungsoption, doch mit dem heißen Wasser kommen auch Gase wie CO2 und Schwefelwasserstoff aus dem Boden.

Als Stromspeicher bisher eher nicht in Betracht gezogen

Grünes Methanol gilt als wichtiger Baustein einer vollständigen Energiewende, etwa als Treibstoff für Schiffe oder als Rohstoff für eine klimaneutrale Chemieindustrie. Doch als Stromspeicher wurde es bislang eher nicht in Betracht gezogen.

Die zweite Technologie, die im Konzept von Brown und Hampp eine zentrale Rolle spielt, sind Kraftwerke mit einer Allam-Cycle-Turbine. Dabei handelt es sich um einen Kraftwerkstyp mit einer speziellen Turbine, die vergleichsweise effizient ist und in welcher der Brennstoff in reinem Sauerstoff verbrannt wird. Die Verbrennung in reinem Sauerstoff wird auch als Oxyfuel-Technologie bezeichnet.

Bei gewöhnlichen Verbrennungskraftwerken entsteht ein Mix an Gasen, der Hauptbestandteil ist hierbei Stickstoff. Will man das im Abgas enthaltene CO2 abtrennen, etwa um es dauerhaft unterirdisch zu lagern (CCS) oder um es weiterzuverwenden (CCU), muss man diese Gase voneinander trennen.

Hierfür kann ein Verfahren namens Aminwäsche eingesetzt werden, doch das ist teuer, benötigt viel Energie, und es können giftige Chemikalien entstehen.

Bei einem Oxyfuel-Prozess bestehen die Abgase primär aus Kohlendioxid und Wasserdampf. Die CO2-Abtrennung ist hier deutlich einfacher.

Methanol im Oxyfuel-Kraftwerk

Die Allam-Cycle-Turbinen mit Oxyfuel-Technologie werden von einer Firma in Texas namens NET Power entwickelt. Ein kleines 50-Megawatt-Kraftwerk läuft seit 2018, eine größere Anlage ist in Planung. NET Power nutzt diese Technologie mit Erdgas, eine Nutzung mit anderen kohlenstoffhaltigen Brennstoffen wie Methanol wäre aber wohl möglich.

Das Konzept, das in der Studie modelliert wurde, sieht nun vor, diese beiden Technologien zu kombinieren. Wenn viel erneuerbarer Strom verfügbar ist, wird mithilfe einer Elektrolyse grüner Wasserstoff hergestellt, dabei entsteht Sauerstoff als Nebenprodukt. Aus dem Wasserstoff und Kohlendioxid wiederum wird grünes Methanol hergestellt und zunächst gelagert.

Wenn Energie knapp ist, wird Methanol in einem Oxyfuel-Kraftwerk mit Allam-Cycle-Turbine verbrannt, um Strom zu produzieren. Hierbei wird neben Methanol auch reiner Sauerstoff benötigt.

Hier gibt es einen weiteren, interessanten Synergieeffekt: Da Sauerstoff bei der Elektrolyse entsteht, kann dieser gespeichert und für den Oxyfuel-Prozess verwendet werden. Nur ein geringer Teil des Sauerstoffs muss zusätzlich aus der Luft gefiltert werden.

Ein Kohlenstoffkreislauf vereinfacht die Methanol-Produktion

Das CO2 wiederum, das bei der Verbrennung entsteht, wird aufgefangen und dient später wieder als Rohstoff für die Produktion von Methanol. Der Kohlenstoff wird so in einem Kreislauf gehalten. Dabei wird es nicht komplett vermeidbar sein, CO2 im Prozess zu verlieren, es wird als eine Quelle für geringe CO2-Mengen benötigt.

Wasserstoff direkt zu nutzen, würde einen Umwandlungsschritt sparen, außerdem müsste man sich keine Gedanken über CO2 machen. Doch Methanol hat einen großen Vorteil gegenüber Wasserstoff: Es lässt sich sehr einfach speichern.

Wasserstoff hingegen ist sehr flüchtig, ihn zu speichern ist eine Herausforderung. Dazu kommt: Neuere Forschungsergebnisse kommen zu dem Schluss, dass Wasserstoff selbst als indirektes Treibhausgas wirkt. Das bedeutet, dass der Austritt von Wasserstoff in die Atmosphäre unbedingt vermieden werden muss.

Eine Option zur Speicherung von Wasserstoff sind unterirdische Salzkavernen. Diese sind vergleichsweise günstig nutzbar. Doch Salzkavernen stehen nicht überall zur Verfügung. Alternativ könnte man Wasserstoff auch in unterirdischen Speichern in porösem Gestein lagern, doch das gilt als weniger ausgereift.

Eine Studie der Gasindustrie und des Speicherverbandes Ines kam 2022 zu dem Schluss, dass sich in Deutschland fast alle Salzkavernenspeicher, die bislang für Erdgas genutzt werden, auf Wasserstoff umrüsten lassen würden, bei Porenspeichern wäre dies aber nur bei etwa der Hälfte der Fall.

Methanol ermöglicht Langzeitspeicherung über mehrere Jahre

Wenn unterirdische Speicher nicht zur Verfügung stehen, kann Wasserstoff in Drucktanks gespeichert werden, doch das benötigt viel Energie und ist teuer. Methanol hingegen lässt sich sehr einfach in großen Tanks speichern. Zusätzlich müssten hierbei Kohlendioxid und Sauerstoff temporär gespeichert werden, doch das ist im Vergleich zu Wasserstoff weniger problematisch.

Da Methanol sehr einfach und auch lange gespeichert werden kann, sehen die beiden Forscher eine weitere Möglichkeit: Methanol könnte nicht nur als saisonaler Speicher dienen, der Strom über Monate speichert, sondern sogar einen Ausgleich über mehrere Jahre hinweg ermöglichen.

Denn die Produktion aus Wind- und Solarenergie ist nicht nur saisonal unterschiedlich, in manchen Jahren wird deutlich mehr erneuerbarer Strom erzeugt als in anderen.

 

Brown und Hampp haben verschiedene Szenarien in einem Energiemodell verglichen. Sie kommen zu dem Schluss, dass Wasserstoff günstiger ist, wenn Salzkavernen zur Verfügung stehen. Wenn jedoch teurere Drucktanks verwendet werden müssen, sieht es anders aus. Dann ist die Variante mit Methanol günstiger.

Dabei haben die beiden Wissenschaftler auch eine weitere Möglichkeit betrachtet, bei der Methanol in konventionellen Gasturbinenkraftwerken verbrannt wird. Interessanterweise ist diese Variante sogar noch günstiger, allerdings ist der Unterschied zur Oxyfuel-Variante mit Allam-Cycle-Turbine gering.

Hierfür müsste man allerdings die Direct-Air-Capture-Technologie einsetzen, um das CO2 bereitzustellen. Auch diese gilt als wenig ausgereift, und zuverlässige Kostenschätzungen gibt es nicht.

Lieber auf Methanol umrüsten?

Die Berechnung beruht auf vielen Annahmen. Zwar stehen alle beteiligten Technologien als Prototypen bereit, doch wie sich deren Kosten entwickeln und wo es künftig Effizienzverbesserungen gibt, lässt sich nicht genau vorhersagen.

Die Kalkulationen basieren auf einem Open-Source-Modell. Der Code und die Annahmen der Studie stehen öffentlich zur Verfügung, andere Forscher können die Berechnungen prüfen und mit veränderten Annahmen durchführen.

Wenn die beiden Forscher recht haben, müsste man wohl die Kraftwerksstrategie der Bundesregierung hinterfragen. Statt Gaskraftwerke zu bauen, die H2‑ready sind, müsste man dann eher eine Umrüstung auf Methanol einplanen.