Die Corona-Krise ist auch im Flugverkehr vorbei, und mittlerweile steigen die Menschen zumindest im internationalen Verkehr fast wieder wie gewohnt in den "Flieger". Im Mai erreichten die Passagierzahlen hier wieder 97 Prozent des Vor-Corona-Werts von 2019, inklusive der innerdeutschen Flüge waren es 88 Prozent. Damit kommen die Klima- und Umweltfolgen der Branche wieder stärker in den Blick.
Doch auch die gesundheitlichen Folgen für die Anwohner gerade der großen Airports wie Frankfurt/Main, München oder Düsseldorf dürfen nicht unterschätzt werden. Das zeigt eine neue Untersuchung zur Belastung der Regionen mit Ultrafeinstaub, der zu Krankheiten wie Bluthochdruck, Diabetes und Demenz beitragen kann.
Die Analyse des europäischen Dachverbands von Verkehrs-NGOs, Transport & Environment (T&E), zeigt nach eigenen Angaben erstmals umfassend, wie stark die Emissionen des Flugverkehrs die Gesundheit der Airport-Anrainer in Europa belasten. Hier sind laut der Untersuchung 52 Millionen Menschen im Umkreis von 32 Großflughäfen betroffen.
Die Belastung mit ultrafeinen Partikeln in der Atemluft wird danach mit bisher rund 280.000 zusätzlichen Fällen von Bluthochdruck, 330.000 Fällen von Diabetes und 18.000 Fällen von Demenz in Verbindung gebracht.
In Deutschland sind von der erhöhten Feinstaubbelastung laut T&E bis zu acht Millionen Menschen betroffen, die in der Umgebung großer Flughäfen leben. Zugrunde gelegt wurde dabei ein Umkreis von 20 Kilometern um die Airports.
Die für die europaweite Studie ausgewählten Flughäfen sind Frankfurt/Main, München, Düsseldorf, Köln/Bonn und Hamburg. Allein in Frankfurt am Main geht es dabei um 1,8 Millionen Menschen.
Hochgefährlicher Luftschadstoff
Feinstaub ist einer der gefährlichsten Luftschadstoffe. Laut Schätzungen der Europäischen Umweltagentur in Kopenhagen sterben in der EU jährlich rund 250.000 Menschen vorzeitig, weil sie in Regionen lebten, in denen die von der Weltgesundheitsorganisation WHO empfohlenen Richtwerte überschritten werden. Hauptquellen davon sind Verkehr, fossile Kraftwerke, Holzfeuerungen und Landwirtschaft.
Die ultrafeinen Partikel – Durchmesser kleiner als 100 Nanometer – sind dabei besonders gefährlich, weil sie, wenn eingeatmet, wegen der geringen Größe sehr tief in die Lunge eindringen und in den Blutkreislauf gelangen.

Auf Flughäfen entstehen die Feinstpartikel vor allem beim Verbrennen von Kerosin in den Flugzeugtriebwerken. Sie werden besonders bei Starts und Landungen sowie beim Rollen ausgestoßen.
Menschen, die in einem Umkreis von fünf Kilometern um einen Airport leben, atmen laut dem NGO-Dachverband Luft ein, die im Durchschnitt zwischen 3.000 und 10.000 ultrafeine Partikel pro Kubikzentimeter enthält, die von Flugzeugen ausgestoßen wurden.
Die T&E-Studie, die von der niederländischen Beratungsfirma CE Delft angefertigt wurde, basiert auf einer detaillierten Auswertung der Situation am Großflughafen Amsterdam-Schiphol.
Die im Umkreis des Airports tatsächlich gemeldeten Fälle der Krankheiten Bluthochdruck, Diabetes und Demenz wurden mit den Angaben zur Bevölkerungsdichte und den dort vorhandenen Emissionsdaten korreliert. Das Ergebnis wurde dann anhand der Daten für die anderen untersuchten Flughäfen extrapoliert.
Bahn statt Flugzeug
Auswertungen des Umweltbundesamtes (UBA) am Flughafen Frankfurt/Main hatten bereits 2021 gezeigt, dass im Umfeld von Flughäfen die Belastung durch Ultrafeinstaub deutlich erhöht sein kann. Ursache seien vor allem die Turbinenabgase, die zu 90 Prozent zu den Werten beitrügen, teilte das Amt mit. Welche Gesundheitsbelastung sich dadurch für im Umkreis lebende Bevölkerung ergibt, wurde damals nicht untersucht.
Eine aktuelle, am Donnerstag veröffentlichte Kurzstudie des hessischen Landesumweltamtes macht allerdings klar, dass die jeweilige Belastung sehr von den regionalen Gegebenheiten abhängen kann. Das Messprogramm zeigte für die rund zehn Kilometer östlich des Rhein-Main-Airports gelegene Stadt Neu-Isenburg, dass dort der Beitrag an ultrafeinen Partikeln aus dem Flugbetrieb "vergleichsweise gering" sei. Als Hauptgrund dafür gibt das Amt an, der Wind wehe im Rhein-Main-Gebiet häufig aus Südwest oder aus Nordost, Neu-Isenburg liege deswegen "auch nur selten im Abwindbereich des Flughafens".
Der T&E-Verband fordert eine Reihe von Maßnahmen, um die Luftbelastung in der Nähe von Flughäfen kurz- und langfristig zu verringern, darunter ein Verbot stark schwefelhaltigen Kerosins sowie eine Verlagerung von Flugverkehr auf die Schiene. Er kritisiert, dass Kerosin derzeit anders als Auto-Kraftstoffe hohe Schwefelanteile hat, was den Ausstoß der Ultrafeinpartikel deutlich erhöht.
"Schwefelarmes Kerosin ist kostengünstig herstellbar und sollte daher Standard werden", so T&E-Expertin Marte van der Graaf. Das kann laut der Studie den Ausstoß von Ultrafeinpartikel aus dem Flugbetrieb um bis zu 70 Prozent senken. Auch das UBA hatte 2021 festgestellt, die Feinstaub-Emissionen könnten "durch eine Reduktion des im Kerosin enthaltenen Schwefels … deutlich reduziert werden."
Anja Köhne von der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch kritisierte: "Der Flugverkehr ist nicht nur die klimaschädlichste Form der Fortbewegung, er gefährdet durch Lärm und Luftverschmutzung auch direkt die Gesundheit von Menschen im Umfeld von Flughäfen."
Um das Risiko zu minimieren, müsse es neben technischen Maßnahmen vor allem um Strategien zur Verringerung des Flugverkehrs gehen, sagte Köhne. Nötig seien hierfür der zügige Ausbau des Bahnverkehrs, um deutlich mehr Reisen auf die Schiene zu verlagern sowie ein Bewusstseins- und Verhaltenswandel bei Dienstreisen und Vielfliegern. Germanwatch ist Mitglied bei T&E.