Die Umwelt zuzumüllen ist eine hässliche Unsitte, dennoch entsteht der Hauptteil der ökologischen Probleme in der Produktion. (Bild: Verena Kern)

Die Vereinten Nationen haben den Kampf gegen die weltweite Plastikverschmutzung auf ihre Agenda gesetzt. Am heutigen Montag beginnt in der kanadischen Hauptstadt Ottawa die vierte und wahrscheinlich vorletzte Verhandlungsrunde für ein globales Abkommen gegen Plastikmüll, das 2025 verabschiedet werden soll. Das Kernziel: Bis 2040 soll ein Ende der Umweltverschmutzung durch Kunststoffmüll erreicht werden.

Im Vorfeld des UN-Treffens machte eine neue Studie klar, wie wichtig eine Begrenzung des Sektors ist – nicht nur, um die Verschmutzung der Meere, Gewässer und Böden zu bremsen, sondern auch wegen des Klimaschutzes. Anderenfalls könnten sich die globalen CO2-Emissionen aus der Kunststoff-Produktion bis Mitte des Jahrhunderts verdreifachen und so ganz allein einen Großteil des verbleibenden CO2-Budgets der Erde aufzehren.

Die Herstellung von Kunststoff – zumeist aus Erdöl und Erdgas – ist treibhausgasintensiv. Laut einer Abschätzung des Lawrence Berkeley National Laboratory in Kalifornien verursachte die Plastikproduktion im Jahr 2019 rund 5,4 Prozent der globalen CO2-Emissionen – so viel wie 600 Kohlekraftwerke –, wobei zwölf Prozent des Erdöl- und 8,5 Prozent des Erdgasverbrauchs in den Sektor flossen.

Es wird erwartet, dass sich die Produktion wegen der wachsenden Plastiknutzung besonders in Asien, Afrika und Lateinamerika bis 2050 verdoppeln bis verdreifachen könnte. Der CO2-Ausstoß würde entsprechend steigen.

Bei einer Verdreifachung würde die Plastikproduktion bis Mitte des Jahrhunderts 25 bis 31 Prozent des globalen CO2-Budgets aufbrauchen, das maximal noch ausgestoßen werden darf, wenn die globale Erwärmung bei 1,5 Grad gehalten werden soll. Die Emissionen entsprächen dann 1.700 Kohlekraftwerken. Doch selbst wenn die Produktion stabil bleibt, wären es noch 15 bis 19 Prozent des Budgets.

Die Studie liefere einen weiteren Beweis dafür, dass die Kunststoffindustrie "die Bemühungen der Welt zur Bekämpfung des Klimawandels untergräbt", sagte die Umweltexpertin Heather McTeer Toney, Leiterin der Kampagne "Beyond Petrochemicals", der britischen Zeitung The Guardian. Die von der US-Stiftung Bloomberg Philanthropies geführte Kampagne hat den Bericht mitfinanziert.

Mehr Recycling oder weniger Plastik?

Die Debatte, ob die globale Plastikproduktion radikal beschränkt werden muss oder ob ein Fokus auf besseres Recycling ausreicht, wird nach Ansicht von Beobachtern auch die neue Verhandlungsrunde in Ottawa beherrschen. Rund 180 Länderdelegationen nehmen dort teil. Es liegt ein 69 Seiten langer Textentwurf vor, der allerdings noch eine Vielzahl von Optionen enthält.

Die letzte Verhandlungsrunde im Herbst 2023 in Nairobi hatte kaum Fortschritte gebracht, eine Folge der stark divergierenden Interessen verschiedener Ländergruppen. Erdölstaaten wie Saudi-Arabien und Russland, aber auch Ägypten und Südafrika blockierten die Verhandlungen.

Eine Gruppe von 64 ambitionierten Staaten, die sich "High Ambition Coalition" nennt und ein wirksames Abkommen anstrebt, konnte den Verhandlungen nicht genügend Schwung geben. Zu der Gruppe gehören Deutschland, Ruanda, Schweden und Senegal.

Ungeklärt blieb sogar, bei welchen Themen Mehrheitsentscheidungen ausreichen und wann Einstimmigkeit notwendig ist. Das muss nun in Ottawa nachgeholt werden.

Die Kunststoffbranche favorisiert, wie zu erwarten, den Recyling-Ansatz und lehnt Produktionsbeschränkungen ab. Der Wirtschaftsverband Plastics Europe zum Beispiel betonte vor der Ottawa-Konferenz die Notwendigkeit einer "Transformation der Kunststoff-Wertschöpfungskette von einem linearen zu einem zirkulären System", wozu es nötig sei, "Kunststoffabfälle als wertvollen Rohstoff" zu behandeln.

Dies schaffe Anreize, Plastikabfälle wiederzuverwerten und zu recyceln, statt sie wegzuwerfen, zu verbrennen oder zu deponieren, sagte die Geschäftsführerin des Verbandes, Virginia Janssens. Um dies zu erreichen, könnten Regierungen verbindliche Einsatzquoten für Kunststoff-Rezyklate einführen und "Programme zur erweiterten Herstellerverantwortung" auflegen.

Die Branche sieht vor allem auch im "chemischen Recycling" eine Lösung, bei dem verschiedene Sorten von Altplastik eingeschmolzen und zu neuwertigem Granulat verarbeitet werden. Das Verfahren ist allerdings sehr energieintensiv.

"Wir können uns nicht aus der Krise rausrecyceln"

Umweltorganisationen fordern ausdrücklich, die Plastikproduktion herunterzufahren. So plädiert das zivilgesellschaftliche Bündnis "Exit Plastik", dem unter anderem der BUND, Greenpeace und der Dachverband Zero Waste Germany angehören, für eine "Plastikwende". Dazu gehöre ein ambitionierter Text für das geplante UN-Abkommen, der "die Neuproduktion von Plastik verringert und gefährliche Chemikalien in Plastik verbietet".

In Deutschland verbrauche die Chemie- und Plastikindustrie mehr Öl, Gas und Strom als die Hälfte aller Privathaushalte, unter anderem für die vielen Einwegverpackungen, betont das Bündnis. Zudem kämen mehr als 16.000 Chemikalien in Plastik und Plastikprodukten zur Anwendung oder könnten darin enthalten sein.

Exit-Plastik-Koordinatorin Carla Wichmann sagte, Ziel müsse eine echte Kreislaufwirtschaft sein, "die Ressourcen spart und frei ist von schädlichen Chemikalien". Nötig seien Obergrenzen für die Kunststoffproduktion und Verbote etwa von Einwegverpackungen. "Wir können uns nicht aus der Krise rausrecyceln", meinte Wichmann.

Diese Stoßrichtung wird, wenn auch weniger radikal, von der High Ambition Coalition geteilt. Die "Ambitionierten" forderten in einer Positionierung zur Ottawa-Konferenz, Herstellung und Verbrauch von Primärkunststoffen einzuschränken und "auf ein nachhaltiges Maß" zu begrenzen.

 

In Ottawa dürfte es also eine intensive Debatte über die richtigen Instrumente für eine Entschärfung der Plastikkrise geben. Reichen Vorgaben für das Kunststoff-Einsammeln, Quoten für Recyclingplastik und Anreize für chemisches Recycling – oder braucht es Obergrenzen für Produktionsmengen, Plastiksteuern und Mehrweg-Vorgaben?

Bundesumweltministerin Steffi Lemke, die an der Konferenz teilnimmt, jedenfalls sagte: "Ich setze mich in den Verhandlungen für gute Ziele und mehr Tempo ein." Der Text für das Abkommen solle noch in diesem Jahr zum Abschluss gebracht werden.

Plastikmüll bedrohe die Meere und die Gesundheit der Menschen, warnte Lemke. "Wir müssen der Vermüllungskrise Herr werden, um uns zu schützen."