Frauen bei einer Protestdemonstration, eine junge Frau mit Megafon schaut zur Seite in die Kamera.
Das Klima lässt sich stabilisieren – mit einer gemeinsamen Kraftanstrengung bei fairer Lastenteilung. (Bild: Jacob Lund/​Shutterstock)

Die Klimakonferenz COP 29 in Baku wird überschattet von den politischen Umbrüchen in den USA und Deutschland. Für Milliarden Menschen, die im globalen Süden vom Klimawandel betroffen sind, geht es jedoch um zentrale Entscheidungen zur künftigen Klimafinanzierung. Denn im Fokus des Gipfels stehen die Verhandlungen über das neue Klimafinanzierungsziel, das "New Collective Quantified Goal" (NCQG).

Trotz zweijähriger Vorbereitung haben die Verhandler:innen bei essenziellen Fragen nur geringe Fortschritte erzielt. Hierzu zählt auch die Frage, wer wie viel zahlen soll. Durch die Wiederwahl Donald Trumps und die damit einhergehende Nichtkooperation der USA beim Klimaschutz werden die Befürchtungen weiter geschürt, dass eine Entscheidung über das Klimafinanzierungsziel auf die COP 30 in Brasilien im nächsten Jahr vertagt wird.

 

In dieser Lage bieten die NCQG-Verhandlungen der Europäischen Union eine beachtliche Chance, gegenüber dem globalen Süden ihre Verlässlichkeit zu demonstrieren, Vertrauen wieder aufzubauen und – über die traditionellen westlichen Partnerschaften hinaus – Allianzen zur Bewältigung globaler Herausforderungen wie dem Klimawandel zu schmieden.

Tatsächlich sind die nationalen Klimastrategien und -pläne vieler Entwicklungsländer von externer finanzieller Unterstützung abhängig. Wird dieser Bedarf nicht gedeckt, fehlt es den Entwicklungsländern an den notwendigen Ressourcen für nahezu alles: zur Emissionsreduzierung, für die Anpassung an den Klimawandel, zur Verhinderung einer gefährlichen globalen Temperaturerhöhung sowie von Naturkatastrophen wie Überschwemmungen und Dürren.

Das Verursacherprinzip stärken

Zweifelsfrei birgt ein potenzieller Austritt der USA – als historisch größtem Treibhausgasemittenten – aus dem Pariser Klimaabkommen (oder gar aus der Klimarahmenkonvention) die Gefahr, dass die Ambitionen anderer Länder nachlassen. Dieser Domino-Effekt könnte verhindert werden, wenn die EU ein ambitioniertes Ziel für die Klimafinanzierung unterstützt.

Porträtaufnahme von Mariya Aleksandrova.
Bild: IDOS

Mariya Aleksandrova

ist Projekt­leiterin am German Institute of Develop­ment and Sustain­ability (IDOS) in Bonn. Die promo­vierte Klima­wissen­schaft­lerin arbeitet zu Klima­risiko-Governance und Finanzierungs­mechanismen.

Zusammengerechnet benötigen die Entwicklungsländer zum Erreichen ihrer nationalen Klimaziele bis 2030 bis zu 6,8 Billionen US-Dollar. Was die Realisierung von Ausgaben und Investitionen in dieser Größenordnung anbelangt, kommt dem NCQG eine große Signal- und Hebelwirkung zu – gegenüber Regierungen, aber auch gegenüber der Privatwirtschaft, den Finanzinstitutionen und nichtstaatlichen Akteur:innen.

Eine Verdreifachung des momentan geltenden Ziels von 100 Milliarden Dollar an öffentlicher Klimafinanzierung für Entwicklungsländer pro Jahr wird zur Deckung der dringendsten Bedarfe als entscheidend angesehen. Bei der Sicherung einer internationalen öffentlichen Finanzierung in dieser Größenordnung kommt der EU eine wichtige Rolle zu.

Die Industrieländer müssen anerkennen: Ihre historische Verantwortung nach dem Verursacherprinzip ist entscheidend für die Klimagerechtigkeit, für das Recht auf Entwicklung sowie eine gerechte Transformation.

Hier muss die EU, ohnehin größte Beitragszahlerin der Klimafinanzierung, politischen Willen und Flexibilität zeigen. Ihre Unterstützung eines anspruchsvollen Klimafinanzierungsziels ist in der sich schnell verändernden geopolitischen Landschaft strategisch von zentraler Bedeutung.

Die Klima-Führungsrolle steht infrage

Bisher aber hat sich die EU auf die – sicher erforderliche – Erweiterung der Basis der Beitragszahler zur Klimafinanzierung konzentriert. Damit stellte sie sich weitgehend auf die Seite der USA und anderer Industrieländer.

Dabei hat die EU es versäumt, festzulegen, welche finanzielle Verpflichtung sie selbst einzugehen bereit ist. Vor zwei Jahren spielte die EU bei der Einrichtung des Fonds für Klimaverluste und -schäden ("Loss and Damage") eine zentrale Rolle.

Porträtaufnahme von Svea Koch.
Bild: IDOS

Svea Koch

ist Sozial­wissen­schaft­lerin im Forschungs­programm "Inter- und trans­nationale Zusammen­arbeit" beim IDOS. Die promo­vierte Politik­wissen­schaft­lerin forscht zu europäischer Klima- und Entwicklungs­politik.

Im letzten Jahr auf der COP 28 in Dubai stand die EU an der Seite der Koalition ambitionierter Länder und drängte auf einen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen.

Durch ihre Zurückhaltung bei der Klimafinanzierung läuft die EU nun Gefahr, ihre globale Klima-Führungsrolle zu verspielen.

Der Wert der Klimagipfel lässt sich kaum unterschätzen: Die Verhandlungen rund um die Klimarahmenkonvention zählen zu den wichtigsten und am stärksten politisierten internationalen Verhandlungen. Zudem spielen sie eine Schlüsselrolle, wenn es darum geht, die Kommunikationskanäle zwischen ansonsten rivalisierenden Ländern offenzuhalten.

Die Klimafinanzierung wird weithin als Element wahrgenommen, das über Erfolg oder Scheitern entscheidet: Sie verfügt nicht nur über das Potenzial, Klimaverhandlungen platzen zu lassen – ungelöste Finanzfragen können auch das Vertrauen und den Fortschritt bei anderen klimabezogenen Angelegenheiten und multilateralen Prozessen erheblich untergraben.

Vertrauen mit Lastenteilung zurückgewinnen

Selten zuvor war das Vertrauen zwischen dem Westen und dem globalen Süden so gering ausgeprägt. Statt in der Diskussion um die Zahl der Beitragszahler steckenzubleiben, sollte sich die EU selbst stärker positionieren, damit die künftige Architektur der Klimafinanzierung auch eindeutige Vereinbarungen zur Teilung der Lasten beinhaltet.

Eine solche Architektur würde den fairen Anteil an der Klimafinanzierung festlegen, der von jeder beitragszahlenden Partei bereitgestellt werden sollte, und somit eine größere Rechenschaftspflicht ermöglichen als bei einem kollektiven Ziel.

Die Aufnahme eines Mechanismus zur Lastenteilung würde sogar EU-Interessen dienen, da diese sich auf die zugewiesenen Beiträge konzentrieren könnte, statt die Versäumnisse anderer Länder bei der Erreichung eines gemeinsamen Ziels auszugleichen.

 

Auch die Länder Europas stehen innenpolitisch und durch strenge Haushaltsbeschränkungen unter Druck, auch hier stellen populistische rechte Parteien internationales Engagement und Ausgaben infrage.

Zur Begründung der Entwicklungs- und Klimaausgaben ist es politisch unbedingt erforderlich, die innerstaatliche Debatte durch eine globale Perspektive zu bereichern, die die internationalen Verpflichtungen der EU und die aus deren Nichterfüllung resultierenden Folgen berücksichtigt.