Synthetische Biologie arbeitet mit Verfahren der Gentechnik. (Bild: Umberto Salvagnin/​Flickr)

Wenn Wissenschaftler:innen auf dem Gebiet der synthetischen Biologie arbeiten, wollen sie biologische Systeme wie Zellen mit Eigenschaften ausstatten, die es in der Natur nicht gibt – oft mit dem Ziel, dieses "künstlich erzeugte Leben" industriell zu nutzen.

Wissenschaftler:innen des Max-Planck-Instituts für terrestrische Mikrobiologie in Marburg ist es nun nach eigenen Angaben gelungen, Darmbakterien der Art Escherichia coli (E. coli) mit Teilen des von ihnen im Labor konstruierten "Theta-Zyklus" auszurüsten. Dieser Zyklus soll CO2 effizienter fixieren und umwandeln können als die Fotosynthese von Pflanzen, Algen und manchen Bakterien. Berichtet haben die Forscher:innen darüber im Fachjournal Nature Catalysis.

Der Theta-Zyklus ist einer von mehreren künstlichen CO2-Fixierungswegen, die die Wissenschaftler:innen um den Mikrobiologen Tobias Erb im Reagenzglas gebaut haben. Er macht aus Kohlendioxid das Molekül Acetyl-Coenzym A (Acetyl-CoA), das eine wichtige Rolle im Stoffwechsel spielt und Erb zufolge auch noch anderen Zwecken dienen kann.

"Acetyl-CoA ist eine Schlüsselverbindung, aus der eine Vielzahl nützlicher Chemikalien wie Polymerbausteine, Geschmacks- und Geruchsstoffe, Antibiotika und sogar Biotreibstoffe hergestellt werden können", teilte der Forscher Klimareporter° mit.

Außerdem wirken am Theta-Zyklus insgesamt 17 Enzyme mit, von denen zwei CO2 ganz besonders schnell aufnehmen können – laut den Forscher:innen bis zu zehnmal schneller als das an der Fotosynthese beteiligte Enzym Rubisco. Das kann außer Kohlendioxid auch Sauerstoff binden, wodurch viel Energie verloren geht. Das sei beim Theta-Zyklus nicht der Fall.

Durch maschinelles Lernen konnten die Forscher:innen eigenen Angaben zufolge ihre Ausbeute an Acetyl-CoA zudem noch erheblich steigern.

"Grundsatzbeweis für die synthetische Biologie"

Um zu testen, ob der Theta-Zyklus auch im lebenden Organismus funktioniert, nutzten die Forscher:innen die E.‑coli-Bakterien. Alle 17 Enzyme auf einmal in den Stoffwechsel der Darmbakterien einzuschleusen, wäre dabei allerdings zu schwierig gewesen. Deshalb teilten Erb und sein Team den Zyklus in drei Module auf, die sie Schritt für Schritt in die Zellkulturen einbrachten.

Debatten über synthetische Biologie

Während Klimaschutz als Anwendungsgebiet der synthetischen Biologie zunehmend in den Blick rückt, steht die Diskussion über mögliche Risiken durch "künstliches Leben" noch eher am Anfang. Bisher wird vor allem über Sicherheitsfragen und Missbrauchspotenziale diskutiert, auch weil die verwendeten neuen gentechnischen Verfahren mittlerweile kostengünstig und teilweise leicht zugänglich sind. Umwelt- und Gesundheitsaspekte sowie Fragen zu Ethik und geistigem Eigentum sind – anders als bei benachbarten Fachgebieten der Gen- und Nanotechnologie – bislang kaum Gegenstand gesellschaftlicher Debatten, bemängeln Kritiker:innen. Über die Chancen und Risiken der synthetischen Biologie aufzuklären und gesamtgesellschaftlich darüber zu diskutieren, halten allerdings die meisten Fachleute für unverzichtbar. (mb, cm)

Mit Erfolg: Spätestens nach ein paar Wochen hatten alle Zellen das neue Stoffwechselprogramm angenommen und sich in ihren Petrischalen vermehrt.

"Wir konnten die Funktionalität der drei einzelnen Module in dem Bakterium nachweisen", fasst die Erstautorin der Studie, Shanshan Luo, die Ergebnisse dieser Versuchsreihe zusammen. "Allerdings ist es uns noch nicht gelungen, den gesamten Zyklus zu schließen, sodass E. coli vollständig mit CO2 wachsen kann", fügt sie hinzu.

Alle 17 Reaktionen des Theta-Zyklus mit dem natürlichen Stoffwechsel des Bakteriums in Einklang zu bringen, sei weiter eine große Herausforderung, zumal der Metabolismus von E. coli selbst Hunderte bis Tausende Reaktionen umfasst. Dass es dem Forschungsteam aber schon teilweise gelungen ist, den Theta-Zyklus vom Reagenzglas in lebende Organismen zu übertragen, sieht Tobias Erb als "wichtigen Grundsatzbeweis für die synthetische Biologie".

Bis die "umprogrammierten" Mikroorganismen eines Tages vielleicht tatsächlich CO2 in großem Stil aus der Atmosphäre fixieren und einen Beitrag für die Industrie und zum Klimaschutz leisten können, dauert es wohl noch einige Zeit.

 

"Wir arbeiten daran, die drei Module des Theta-Zyklus, die jeweils für sich in einer Zelle funktional sind, in einer einzigen Zelle zu vereinen, um den Zyklus zu schließen", erläutert Erb das weitere Vorgehen. "Technisch ist dies sicher innerhalb der nächsten ein bis zwei Jahre möglich. Ob die Module miteinander in dieser Zelle funktionieren und wie gut der Gesamtzyklus sich dann dreht, müssen wir dann in Experimenten sehen."

Allerdings beschränken er und sein Team sich dabei nicht nur auf den Theta-Zyklus. Außer diesem werden derzeit noch andere künstlich erzeugte Stoffwechselwege zur Kohlendioxid-Fixierung in Bakterien getestet.