Der US-Energieversorger Pacific Gas and Electric Company (PG&E) teilt sich mit der US-Investmentbank Lehman Brothers eine zweifelhafte Auszeichnung: Sie gehören zu einer Gruppe von nur vier Firmen, denen die Ratingagenturen noch zwölf Monate vor ihrem Bankrott eine gute Bonität bescheinigt hatten.
Bei Lehman führten Ramschhypotheken zum Blitzabsturz und bei PG&E der Klimawandel. Dieser sorgt in Kalifornien für heißere und trockenere Sommer. Das Klima in dem US-Bundesstaat hat sich bereits um mehr als 1,7 Grad erwärmt. In der Folge werden die Waldbrände größer und gefährlicher.
In den letzten drei Jahren ereigneten sich sechs der zehn Brände, die die größte Zerstörung angerichtet haben. Der kürzlich aus dem Amt geschiedene kalifornische Gouverneur Jerry Brown bezeichnete die Megafeuer daher als den "neuen Normalzustand".
Dieser hat nun PG&E das Genick gebrochen, denn in Kalifornien haften Energiekonzerne für alle Feuer, die durch ihre Kraftwerke oder Strom- und Gasleitungen verursacht werden. Das gilt auch dann, wenn sie alle Vorschriften eingehalten haben und kein Fall von Fahrlässigkeit vorliegt.
Nach den vielen großen Feuern in den letzten beiden Jahren sieht sich PG&E daher Schadenersatzansprüchen von bis zu 30 Milliarden US-Dollar gegenüber. Eine Stromleitung der Firma könnte insbesondere für das tödlichste Feuer in der Geschichte Kaliforniens, das "Camp Fire", verantwortlich sein, bei dem letzten November 86 Menschen ums Leben kamen.
Das Feuer zerstörte das 26.000-Einwohner-Städtchen Paradise fast komplett. Mit einem Schaden von 16,5 Milliarden US-Dollar war es weltweit die teuerste Naturkatastrophe im Jahr 2018, wie die Münchener Rückversicherung ausgerechnet hat. Auf dem zweiten und dritten Platz liegen die Hurrikane Michael und Florence, deren Wucht ebenfalls durch den Klimawandel verstärkt wurde.
Milliardenwerte könnten in kurzer Zeit vernichtet werden
Für die Kapitalmärkte beginnt damit eine neue Zeit. In nur wenigen Monaten können Milliardenwerte durch den Klimawandel vernichtet werden. Vor dem "Camp Fire" im November 2018 war PG&E noch 25 Milliarden Dollar wert.
"Das Potenzial von Klimarisiken kann sich in einer nichtlinearen Art verändern und unerwartet hohe Schäden verursachen", warnt die Internationale Vereinigung der Versicherungsaufsichtsbehörden IAIS in einem Bericht.
Darauf seien die Risikomanagementsysteme von Firmen wie PG&E aber nicht vorbereitet, warnt Michael Wara von der US-Universität Stanford. "Diese Systeme entwickeln sich nicht graduell. Was passiert ist: Sie brechen, und genau das beobachten wir gerade in Kalifornien", sagte Wara dem US-Magazin Vice.
Das wiederum sei eine Gefahr für das gesamte Finanzsystem, so die IAIS: "Unversicherte Verluste könnten kaskadenartige Folgen für das Finanzsystem haben, auch für Banken."
Ein Beispiel dafür sind zwei Solarkraftwerke, von denen PG&E Strom bezieht: das 550-Megawatt-Kraftwerk Topaz von Berkshire Hathaway und das 250-Megawatt-Kraftwerk Genesis von NextEra Energy.
Beide haben relativ alte Abnahmeverträge, in denen ihnen von PG&E ein Strompreis garantiert wird, der deutlich über dem Preis für neue Solarkraftwerke liegt. Derzeit ist unklar, ob das Konkursgericht diese Verträge aufheben kann.
Trotzdem wurde die Kreditwürdigkeit der beiden Kraftwerke bereits auf Ramschniveau heruntergestuft. So werden selbst Solarparks Opfer des Klimawandels.