So populär ist kaum eine andere Methode. Wenn es um die große Frage geht, wie der Klimawandel abgemildert werden kann, gehört die Aufforstung zu den ersten Antworten.
Die Logik dahinter ist einfach und einleuchtend. Da Bäume klimaschädliches CO2 aus der Luft holen und speichern, ist es gut, wenn man mehr Wälder hat, die dann schließlich mehr CO2 aufnehmen und binden können.
Viele Länder haben deshalb Programme aufgelegt, um neue Wälder zu pflanzen, von Großbritannien über Äthiopien, Pakistan, Kenia und China bis Neuseeland. Zahlreiche ärmere Staaten wollen ihren Beitrag zum Pariser Klimaabkommen in Form von Aufforstungen leisten.
Auch viele nichtstaatliche Akteur:innen engagieren sich in dem Bereich. Das Davoser Weltwirtschaftsforum hat ein Eine-Billion-Bäume-Programm initiiert (derzeit gibt es schätzungsweise drei Billionen Bäume weltweit). Unternehmen werben damit, dass sie Bäume pflanzen, wenn man ihre Produkte kauft.
Tatsächlich kann das Pflanzen neuer Bäume – sofern es nicht nur um Stangenforste und Plantagen geht – ein wichtiger Beitrag gegen die Klimakrise sein. Doch es gibt auch eine Schattenseite.
Das große Interesse für Wälder schluckt quasi die ganze Aufmerksamkeit. Andere Ökosysteme erhalten ungleich weniger Beachtung, obwohl auch sie für Klimaschutz und Biodiversität von sehr großer Bedeutung sind. Beispielsweise Graslandschaften.
"Die Bedeutung von Grasland wird unterbewertet", sagt Peter Manning vom Frankfurter Senckenberg-Forschungszentrum für Biodiversität und Klima im Gespräch mit Klimareporter°.
"Grasland wird meist ignoriert"
Dabei sind Graslandschaften Oasen biologischer Vielfalt. Sie speichern große Mengen an Kohlenstoff in der Vegetation und vor allem im Boden, liefern Nahrungsmittel, halten Hochwasser zurück, um nur einige Punkte zu nennen. Etwa 40 Prozent der weltweiten Landfläche sind Grasland, das ist deutlich mehr als beim Wald, der gut 30 Prozent einnimmt.
Doch die wichtige Rolle von Grasflächen ist den meisten weniger klar als bei Wäldern. Sie fällt nicht sofort ins Auge – und wird übersehen. "In den Programmen für nachhaltige Entwicklung werden Graslandflächen bislang weitgehend ignoriert", sagt Peter Manning.
Gemeinsam mit Forschenden aus den wichtigsten Graslandregionen der Welt – darunter Kenia, Indien, China, Brasilien, Europa – hat Manning untersucht, in welchem Zustand sich diese Ökosysteme befinden.
Ergebnis: Die weltweiten Graslandschaften, die zu fast drei Vierteln landwirtschaftlich genutzt werden, sind stark bedroht. Die Hälfte davon muss als degradiert angesehen werden. In einigen Regionen liegt der Grad der Landverödung auch bei 60 Prozent (Brasilien) oder sogar 90 Prozent (Europa).
Die Forschenden sprechen von einer "Graslandkrise". Ihre Studie, die unter Leitung der Universität Manchester erarbeitet wurde, ist jetzt im Fachjournal Nature Reviews Earth & Environment erschienen.
Die landwirtschaftliche Nutzung von Grasland ist nicht per se das Problem. Vielmehr ist es eine zu intensive Nutzung, die die fortschreitende Degradierung bewirkt. In Kenia beispielsweise führt die starke Überweidung zu Bodenerosion, Austrocknung und Artenverlust. In Europa ist es der übermäßige Einsatz von Düngemitteln, die den Boden regelrecht ersticken, das Grundwasser belasten und zur Verarmung der biologischen Vielfalt führen.
Grünland wie Wälder schützen
Auch das Pflanzen von Bäumen kann hier unter Umständen kontraproduktiv sein. Denn die Wurzeln der Bäume wachsen tief in den kohlenstoffreichen Graslandboden und bewirken so eine Freisetzung des Kohlenstoffs. Dann wird zwar von dem Baum über dem Boden CO2 gespeichert, aber gleichzeitig verliert man bislang im Boden gespeicherten Kohlenstoff.
Künftig, so fordern die Studienautor:innen, sollten Graslandschaften in der Nachhaltigkeitspolitik den gleichen Rang wie Wälder erhalten – und entsprechend geschützt und renaturiert werden.
Zugleich schlagen die Forschenden eine Reihe von Strategien vor, um die weltweite Zerstörung von Graslandschaften zu stoppen und ihre Wiederherstellung zu fördern: die stärkere Anerkennung von Grünland in der globalen Politik, die Entwicklung standardisierter Indikatoren für die Degradation, die Nutzung wissenschaftlicher Innovationen für eine wirksame Wiederherstellung auf regionaler und landschaftlicher Ebene sowie die Verbesserung des Wissenstransfers und des Datenaustauschs über Erfahrungen mit der Regenerierung.
Einen weiteren Punkt nennt Peter Manning im Gespräch: "Wir müssen unsere Ernährung umstellen und weniger tierische Produkte essen."
Die Vorteile eines besseren Grasland-Schutzes jedenfalls wären immens. Schon vor einigen Jahren wies das UN-Entwicklungsprogramm UNDP darauf hin, dass der Kampf gegen die Landdegradierung jährlich einen wirtschaftlichen Nutzen von 1,4 Billionen US-Dollar erbringen könnte.